Dorf Paretz

Autor Leon Eber

In den Niederungen des Havellandes, unweit der ehemaligen Residenzstadt Potsdam, versteckt sich das beschauliche Dorf Paretz. Hinter dem unscheinbaren Flecken auf der Landkarte verbirgt sich eine einzigartige Geschichte, die das Dorf die Jahrhunderte hindurch zu einem Gedenk-, Erinnerungs- und Pilgerort machte. Begonnen hat diese Geschichte mit zwei Namen, die auch heute noch eng mit dem Dorf verbunden sind: Friedrich Wilhelm III. und seine Frau Luise von Mecklenburg-Strelitz, besser bekannt als Königin Luise.

Fotos: Gotisches Haus © Gasthof Gotisches Haus; Kirche © Kirchenkreis Nauen-Rathenow; Schloss ©Tourismusverband Havelland; Schloss innen© SPSG

Bald nach der Krönung Friedrich Wilhelms III. zum König von Preußen 1797 begann die Suche nach einer Sommerresidenz. Dass hierfür der vergleichsweise bescheidene Landsitz im Dorf Paretz und nicht die fürstlichen Schlösser zu Oranienburg oder Schönhausen auserkoren wurden, sagt viel über Selbstdarstellung und -Verständnis des jungen Königspaares aus. Seit der Französischen Revolution entwickelte sich ein Trend monarchischer Präsentation hin zu Formen bürgerlicher Lebensweise und Bescheidenheit, der im scharfen Kontrast zu der früheren absolutistischen Selbstinszenierung stand. Das junge Brautpaar passte sich aber nicht lediglich dem „Zeitgeist“ an: Gerade Luise stach in den Erinnerungen vieler Zeitgenossen durch ihre bürgerlichen und ungezwungenen Umgangsformen heraus. In dieser Nahbarkeit von Preußens bekanntester Königin liegt auch ein Grund für die ungebrochene Faszination, die sie bis heute auf die Nachwelt ausübt.

Im verschlafenen Paretz entstand in den folgenden Jahren ein architektonisches Panorama fürstlicher Repräsentation zum Ende des 18. Jh. – und bemerkenswerterweise blieb das heute denkmalgeschützte Dorfensemble im Wesentlichen bis in unsere Tage erhalten. Wie einst Theodor Fontane können Besucher heute durch das von David Gilly entworfene „Musterdorf“ spazieren und dabei verschiedene architektonische Schätze entdecken.

So das Schloss Paretz, die nach englischem Vorbild erbaute Sommerresidenz des Königspaares, von deren nüchtern gestalteten und „bloß durchfensterten“ Fassade sich Fontane übrigens wenig begeistert zeigte. Was  ihm kalt und abweisend erschien, kann für heutige Betrachter schlicht und elegant wirken – wobei die wunderbar opulent gestalteten Innenräume einen Hinweis darauf geben, wie weit die „Schlichtheit“ im Kontext monarchischer Repräsentation gehen konnte. Ganz anders präsentiert sich die Dorfkirche, einer der ältesten neugotischen Sakralbauten Deutschlands, deren „gotische Formenfülle“ für Fontane einen historischen Kontrast zum gegenüber gelegenen modernen Schloss darstellte, in Wahrheit aber auf einen nahezu gleichzeitigen Umbau zurückgeht.


Blick aus dem Schloss / Foto SPSG
Blick aus dem Schloss / Foto SPSG

In der abgeschiedenen Idylle der friedlichen Havellandschaft genossen Königin Luise und ihre Familie alljährlich die Sommermonate in Paretz.

Das Schloss wird heute von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) verwaltet.


Schloss und Dorfkirche zeigen, wie in Paretz räumlich kondensiert und fußläufig zu erkunden brandenburgische Landesgeschichte in all ihren Spannungen und Widersprüchen entdeckt werden kann. Eine weitere Perspektive bietet die Paretzer Windmühle: Als Gilly den Umbau des Dorfes plante, sollte der nah am Schloss gelegene Mühlenberg als königlicher Aussichtspunkt hergerichtet werden – die Mühle musste dafür weichen und wurde an ihren heutigen Standpunkt versetzt. Ähnlich ging es großen Teilen des alten Dorfes, die entweder verlegt oder abgerissen wurden, so auch die Gehöfte um die Kirche, die dem neuen Schlosspark im Weg standen. Bürgerliche Bescheidenheit und absolutistischer Gestaltungswille trafen hier eindrücklich aufeinander: Was die Paretzer Bauernfamilien von der Verwandlung ihrer Heimat in ein Musterdorf hielten, ist nicht dokumentiert …

Wer nach einem guten Begleiter für einen Spaziergang durch Paretz sucht, kann sich die Nr. 65 der Mark Brandenburg in die Tasche stecken. Hier gibt es neben Wissenswertem zur Dorfarchitektur auch interessante Details zu Mythos, Legende und Nachruhm der Königin Luise zu lesen.