Die Wasserwildnis hautnah erleben

Langsam gleitet das Kanu durch die Altarme der Oder. Rechts und links ein dichter Schilfgürtel, dazwischen Entengrütze und Seerosenbänke. Kaum hat man das Boot bestiegen, findet man sich in einem Labyrinth von Wasserläufen wieder. Unzählige Tier- und Pflanzenarten sind hier zu Hause, der Mensch spielt nur eine Nebenrolle. „Das Supertier ist der Biber“, sagt Frauke Bennett. Am Beispiel einer seiner Burgen zeigt die Landschaftsführerin, wie geschickt er Äste und Zweige aufeinanderschichtet. Rundherum wachsen Kräuter wie Mädesüß und Beinwell, von denen er sich ernährt. Mit den entsprechenden Erklärungen entpuppt sich die Wildnis im Nationalpark Unteres Odertal als intaktes Ökosystem. Was nicht immer so war. Nachdem einst Flussläufe begradigt, Moore entwässert wurden und intensive Landwirtschaft betrieben wurde, hat sich die Natur erst langsam wieder erholt. Doch 25 Jahre nach Bestehen des Nationalparks lässt sich eine erfolgreiche Bilanz ziehen. Herzstück ist die etwa 50 Kilometer lange, schmale Auenlandschaft um die Oder im deutsch-polnischen Grenzgebiet mit ihren Poldern – eingedeichten Gebieten –, die regelmäßig überflutet werden. Hunderte von Vogelarten brüten hier, um die 250 machen auf der Durchreise Station. „Natürlich ist der Übergang in Wildnis ein generationenübergreifender Prozess“, räumt Nationalparkleiter Dirk Treichel ein. „Aber als Besucher können Sie schon jetzt Zeuge dieser Entwicklung werden.“ Entweder begibt man sich im Morgengrauen auf die Spuren von röhrenden Hirschen oder man radelt mit dem Fahrrad am Wasser entlang. Doch nichts ist eindrucksvoller als eine Kanutour durch die einsamen Flussarme, bei der man sich am besten von Experten wie Frauke Bennett leiten lässt.

Fotos: Hans-Jörg Wilke, Hilmar Schmidt, Patrick Pleul Text: Ulrike Wiebrecht veröffentlicht im Brandenburger Ausflugsplaner 2021

INFORMATION
Anfahrt: Mit RE 3 bis Angermünde und Nationalpark-Buslinie 468 bis Criewen/Nationalparkzentrum. Mit dem Auto auf
der A 11 bis Schwedt/Angermünde, B198, B 2 und L 284 in Richtung Felchow/Neuhof, über Vorwerk nach Criewen
Zeitraum: Ganzjährig zu Fuß oder mit dem Fahrrad, z. B. Oder-Neiße-Radweg. Geführte Kanutouren, auch bei Vollmond,
von Mitte Juli bis Mitte November
Sehenswürdigkeiten: Ausstellung in Schwedt/Ortsteil Criewen, Park 2, von April bis Oktober 9–17 Uhr, von November bis
März Fr–So 10–17 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Info: nationalpark-unteres-odertal.eu
Souvenir: Beobachtung seltener Tiere in ihrer natürlichen Umgebung