Abenteuer im Zweirad-Land

Endlose Alleen und von der Eiszeit geformte Hügel machen Brandenburgs Landstraßen zu einem ungeahnt abwechslungsreichen Fahrvergnügen.

Brandenburg dürfte für viele Biker nicht der erste Gedanke sein, wenn es um die Auswahl des Urlaubsziels für eine Reise mit dem Motorrad geht. Einwenig zu Unrecht, wie das Ergebnis eines Bundesländervergleichs der größten deutschen Motorradzeitung vor einigen Jahren ergab. Gewonnen hat ein üblicher Verdächtiger und ja, das war nicht Brandenburg. Aber
unsere Regionen wurden – zur Überraschung anfangs voreingenommener Autoren der Fachredaktion – zum Geheimtipp erkoren. Es bedient weniger die Klischees der unzähligen Kurvenkombinationen, auch wenn wir natürlich Kurven haben. Ebenso gehören Gebirgspässe, mangels geologischer Grundlage, nicht zummärkischen Repertoire, obwohl wir auf unsere sanften Hügel sehr stolz sind.

Alleen und Wälder so weit das Auge reicht / Fotos pro agro

Hier fährt es sich anders schön. Brandenburg ist der Gegenentwurf für jene, die abseits von Hektik entspannt Kultur, Land und Leute erkunden möchten. Herunterkommen und treiben lassen. Hier ein Vorschlag
für rund tausend Kilometer durch Brandenburg – klingt viel, aberwir haben ja auch Zeit … Die Blüten- und Inselstadt Werder an der Havel eignet sich ganz gut als Startpunkt unserer Tour, nachdem man der Landeshauptstadt Potsdam einen Besuch abgestattet hat. Von hier geht es durch kühleWälder und Auen, vorbei an denweitläufigen Seenlandschaften des Havellands, durch den kurvenreichen Fläming bis hinunter in den Süden. Ein Stopp empfiehlt sich am Rande des Naturparks Niederlausitzer Landrücken. Denn hier präsentiert sich diese brandenburgische Reiseregion besonders vielfältig: DichteWälder überziehen den Landrücken, am Fuß des Höhenzugs entspringen Quellen, die Moore, Bäche und Teichlandschaften speisen. In der Ebene reihen sich märchenhafte Dörfer aneinander – mit Feldsteinkirchen, Wassermühlen und Herrenhäusern. Im Elbe-Elster-Land gibt es auch industrielle Kunstwerke zu bestaunen: etwa das Besucherbergwerk F60. Der „liegende Eiffelturm der Lausitz“ gewährt faszinierende Einblicke in die Bergbaugeschichte. Und ganz in der Nähe befindet sich auch der für internationale Motorradsportevents bekannte Lausitzring. Im Süden Brandenburgs steigert sich das Urlaubsgefühl nicht nur durch den Klang der sorbischen Sprache, die hier seit Jahrhunderten heimisch ist.

Freie Fahrt für Biker / Foto pro agro

Auch das Landschaftspanorama trägt dazu bei, hier imHerzen des Lausitzer Seenlands. Einer von insgesamt zehn Seen, die künftig über Kanäle miteinander verbundenwerden, ist der geflutete Großräschener See. An seinem Ufer lässt es sich gut pausieren: einmal Seeluft einatmen. Herrlich! Parallel entlang der sächsischen Grenzen über Spremberg geht die Tour zum Felixsee, einem Kleinod, idyllisch imWald gelegen, imGeopark Muskauer Faltenbogen. Hier prägen natürliche Schluchten und ehemalige Tagebaurestmulden die einzigartige Landschaft. Auf mystischeWege begibt man sich im sagenumwobenen Spreewald in Richtung Norden. Versteckte Fließe begleiten die Fahrt amWegesrand. Es empfiehlt sich ein Halt in der kleinen Spreewaldgemeinde Raddusch mit der beeindruckenden Slawenburg aus dem Mittelalter. Im Ort selbst hat man die Möglichkeit, eine Spreewaldkahnfahrt auf ganz andere Art und gut passend zum ruhigen Verlauf der bisherigen Reise zu unternehmen. In Bad Saarow, wo schon Prominentewie der Schriftsteller MaximGorki und Box-Legende Max Schmeling weilten, steuert man ein Stück am Scharmützelsee entlang, bis zum Bikertreff Wendisch-Rietz auf dem Parkplatz des Bahnhofs. Der traditionsreiche Motorradtreff bietet mit seinem Imbiss Anlass zur Pause. Eine Stärkung tut gut, bevor der für viele Zweiradfahrer schönste Abschnitt der Tour folgt: die Märkische Schweiz. Hinter Buckow schlängelt sich eine schöne und kurvige Passage bergauf bis zur Landstraße.


Hier finden Sie die Tour über die App „Calimoto“ erstellt.


Von hier noch ein Abstecher nach Neuhardenberg inklusiveSchloss-Blick, dannweiter zur Oderbruch-HauptstadtWriezen und auf einen „Kolonisten-Kaffee“ ins nahegelegene Neulietzegöricke. Entlang der Hutelandschaft Altranft erreicht man bald den Mittelpunkt derMärkischen Eiszeitstraße in Bad Freienwalde –wegenihrenvielen Erhebungen eine beliebte Strecke. Wanderer können hier den brandenburgischenWatzmann(106,2 Meter) erklimmen. Zugegebenermaßen ist er dem bayerischen Original weit unterlegen. Die Kurven machen beim Fahren dennoch Spaß.Der nächste Zwischenstopp punktet mit zwei Wundernder Technik: den Schiffshebewerken in Niederfinow.Diese Ingenieursmeisterwerke versetzen Binnenschiffeum 36 Meter Höhenunterschied. Im alten Hebewerkkann man sogar per Kajak Fahrstuhl fahren.Über Templin führt die Tour in die Uckermark, diewegenihrer Hügel und Bäume – nicht Zypressen, sondernPappeln – auch als „Toskana des Nordens“ gilt. Eineromantische Dorfkulisse erwartet Biker bei der Fahrtdurch Temnitzquell und Blumenthal in der Prignitz. Hierlohnt es sich, auch mal abzusteigen. Die Gemeinde Heiligengrabe ist ein schöner Ausgangspunkt für Ausflüge,etwa eineWanderung auf demNonnenpfad, mit Startam ehrwürdigen Kloster Stift zumHeiligengrabe.Ist eine Übernachtung geplant? Von Heiligengrabe ist esnichtweit bis zum SchlossWolfshagen, das sich auf Biker eingerichtet hat –mit einem überdachten Parkplatzund einemTrockenraum für nasse Motorradkleidung.Auch ein Lunchpaket für die Tour ist erhältlich. Weiteremotorradfreundliche Tourenhotels finden Sie auflandurlaub-brandenburg.de.Die letzte Etappe führt nach Neustadt (Dosse) mit demtraditionsreichen Brandenburgischen Haupt- und Landgestüt. Über Nauen und Ketzin erreichenwir bald dasRuppiner Seenland. Ein Schlenker führt nach Kremmen,zu einerwahren Kultstätte: der Bikerscheune. Schonvor20 Jahren haben Motorradfans hier ihr Hobby zum Beruf gemacht und die Scheune eröffnet, einen Treffpunktfür Biker mit deftiger Küche und rustikaler Atmosphäre.Nach insgesamt fast 18 Stunden Tour sindwir am Zielort Beelitz angekommen. Wer noch nicht genug hat,fährt durch das Nuthetal nach Selchow in Schönefeld,schnappt sich einen der Liegestühle an der Outdoor-Bar„Landebahn 3.0“ – und genießt den Ausblick auf die Landebahn des BER. Damit man sich langsamwieder etwasan die in denvergangenen Tagen abhandengekommeneHektik gewöhnen kann.

Der Text erschien erstmals im Katalog „Landurlaub Brandenburg 2024“; Autor: Karin Reimold