Pilze in Brandenburg: Moritz Schmid über Wald, Wissen und seine Liebe zur Mykologie 

Interview mit Moritz Schmid: Warum Pilze weit mehr sind als ein Nahrungsmittel – und wo und wie man sie entdecken kann: Eindrücke und Sammlertipps von Moritz Schmid, Pilzsachverständiger der Deutschen Gesellschaft für Mykologie und Pilzfluencer.

Fangen wir ganz von vorne an: Wie ist Ihre Begeisterung für Pilze entstanden? 

Portrait Moritz Schmid im Wald
Foto© Moritz Schmid

Moritz Schmid: Ich bin als Kind oft mit meinen Eltern und Großeltern in den Wald gegangen. Da gab es schon früh eine emotionale Verbindung. Später, mit Anfang 20, war ich in einer schwierigen Phase, als mich keine Kunsthochschule nehmen wollte. Ich habe dann im Wald die Ruhe gesucht – und dabei die Pilze entdeckt. Erst habe ich nur Röhrlinge gesammelt und daraus Dinner für Freunde gemacht. Das war günstig und eine tolle Möglichkeit, Menschen zusammenzubringen. Und dann hat es mich richtig gepackt. Seitdem bin ich komplett im Pilz-Wurmloch – und es geht immer tiefer hinein. 

Sind Sie deshalb aus Berlin nach Brandenburg gezogen, um näher an den Pilzen zu sein? 

Ich habe lange in Neukölln gelebt und war als Fotograf in über 80 Ländern unterwegs. Was zunächst glamourös klingt, hat mich auf Dauer ausgelaugt. Der Wald war wie ein Akku für mich – dort konnte ich runterkommen. Meine Frau und ich haben dann ein Haus in Zeuthen gefunden, in der Nähe von Berlin. Jetzt bin ich drei Fußminuten von meinem „Hauswald“ entfernt – das fühlt sich gut an. 


Pilz-Retreats in Brandenburg 

Was motiviert Sie, die Pilze in den Fokus zu rücken? 

Pilze sind unglaublich vielseitig. Sie verbinden Welten miteinander – sie stehen für Symbiose und Netzwerke. Ich sehe sie auch als Lösungsanbieter, wenn es um Ernährung, Medizin oder Umweltprobleme geht. Es wird viel geforscht, und ich möchte Menschen für dieses Wunder begeistern. 

Viele gesammelte Waldpilze als Kunstwerk zusammengesetzt und fotografiert von Moritz Schmid.
Foto© Moritz Schmid Pilzkunst into the Woods

Heute machen Sie eine Menge rund um Pilze. Was umfasst Ihr Pilz-Portfolio? 

Zum einen gibt es die Events: Tagesworkshops bei uns in Zeuthen oder Wochenend-Retreats in der Märkischen Schweiz, in Buckow. Nächstes Jahr wollen wir das Angebot noch erweitern. Es geht dabei nicht nur ums Pilzesammeln – ich biete auch Waldbaden, Digital Detox, Qigong, Yoga und natürlich gutes vegetarisches Essen an. Außerdem bin ich Sachverständiger im Bereich giftige Pilze und zeige den Teilnehmenden, wie man sicher sammelt. Zusätzlich betreibe ich einen Online-Shop mit Prints, Kalendern, Kleidung mit Pilzmotiven und gelegentlich auch Pilz-Tools. 

Und Sie schreiben Bücher über Ihr Lieblingsthema. 

Genau, zwei Bücher gibt es bereits, ein drittes ist in Arbeit. Zusammen mit einem Sternekoch stelle ich darin Rezepte vor, bei denen Pilze endlich nicht mehr nur die Beilage sind. 


Pilze sammeln in Brandenburg 

Haben Sie konkrete Tipps für Menschen, die mit dem Pilzesammeln anfangen möchten?

Der wichtigste Tipp ist: langsam machen, wenig erwarten und sich auf den Moment einlassen. Es bringt nichts, hektisch durch den Wald zu rennen, um schnell den Korb zu füllen. Besser ist es, einfach mal stehen zu bleiben, tief durchzuatmen – und plötzlich sieht man Pilze, die einem vorher gar nicht aufgefallen sind. 

Was sollte man bei der Ausrüstung beachten? 

Richtiges Vorgehen beim Pilzesammeln: So wird das Pilzmesser verwendet, um den Pilz mit der Bürste von Waldboden und Moos zu säubern
Foto© Moritz Schmid

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Moritz Schmid: Ein gutes Pilzmesser mit einer Bürste hinten dran ist wichtig – damit kann man die Pilze direkt im Wald putzen. So bleibt der Korb sauber und man spart sich später Arbeit in der Küche. Eine Lupe kann ich ebenfalls empfehlen, um kleine Details zu erkennen, wie Flocken auf dem Hut. Und wichtig ist auch ein Stock – damit lässt sich vermeiden, ständig in Spinnennetze zu laufen. Mückenspray gehört ebenfalls dazu, gerade in feuchten Gegenden. 

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Gibt es eine Faustregel, wann die besten Bedingungen fürs Pilzesammeln herrschen? 

Pilze lieben Feuchtigkeit. Nach längeren Trockenperioden braucht es oft zwei Wochen Regen, bis sich etwas tut. Danach dauert es meist sieben bis zehn Tage, bis die ersten Pilze erscheinen. Die Hauptsaison ist von September bis November, aber in den letzten Jahren habe ich sogar im Dezember noch Steinpilze gefunden – das liegt am Klimawandel. 

Viele gesammelte Waldpilze als Kunstwerk zusammengesetzt und fotografiert von Moritz Schmid.
Foto© Moritz Schmid Pilzkunst into the Woods


Steinpilze finden in Brandenburg 

Alle lieben Steinpilze – und nur wenige finden sie. Haben Sie einen Tipp? 


Viele suchen in klassischen Kiefernforsten, wo oft nur Maronen wachsen. Wer Steinpilze finden möchte, sollte freiere Flächen aufsuchen – sandige Heideflächen mit vereinzelten Kiefern, vielleicht auch ein paar Birken und Eichen. Diese Bäume gehen oft Symbiosen mit Steinpilzen ein. 

Also weg von den dicht bewachsenen Forsten? 

Genau. Diese angelegten Kiefern-Monokulturen mit hohem Gras auf dem Boden sind meist unergiebig. Besser sind lichter bewachsene Gebiete mit sandigem Boden – besonders an den Rändern solcher Flächen stehen die Chancen gut. 

Und spielen Landschaftsmerkmale wie Hügel eine Rolle? 

Nein, entscheidend ist die Symbiose zwischen Pilz und Baum. Steinpilze findet man meist bei Nadelbäumen wie Kiefern und Fichten, aber auch bei Eichen und Buchen. 

Vermoster Baumstamm mit Wurzeln im Wald. Foto von Foto Moritz Schmid
Foto© Moritz Schmid

Frische Pilze ernten 

Wie erkennt man, ob ein Pilz noch frisch ist? 

Glücklicher Pilzsammler: Moritz Schmid mit einem Fund auf dem Waldboden.
Foto© Moritz Schmid

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Einfach mit dem Finger auf den Hut drücken. Bleibt eine Delle, ist der Pilz alt und sollte im Wald bleiben. Frische Pilze sind fest und knackig – die sollte man bevorzugen. 

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Noch ein heiß diskutiertes Thema: abschneiden oder herausdrehen? 

Das ist dem Pilz egal. Wichtig ist, das Loch anschließend wieder mit Erde zu bedecken, damit das Myzel nicht austrocknet. Wer den Pilz herausdreht, opfert weniger Fleisch – und für die Bestimmung ist es besser, weil man die Stielbasis sieht. Das kann entscheidend sein, etwa beim Unterschied zwischen Champignon und dem tödlich giftigen Knollenblätterpilz. 

Gibt es Pilze, die schon beim Anfassen gefährlich sind? 

Nein, es gibt keine Pilze mit Kontaktgift. Man kann jeden Pilz anfassen, selbst den Knollenblätterpilz – beim bloßen Berühren passiert nichts. Nur bei kleinen Kindern sollte man etwas aufpassen, wenn sie sich danach die Hände in den Mund stecken. Grundsätzlich gilt: Gefährlich wird ein Pilz erst, wenn man ihn isst – und auch da macht die Dosis das Gift. 

Gibt es sonst noch etwas, worauf man beim Sammeln achten sollte? 

Qualität vor Quantität! Das deutsche Recht erlaubt die sogenannte „Handstrauß-Regel“ – maximal ein bis zwei Kilogramm pro Person. Und: Pilze können Umweltgifte speichern. Also lieber nicht in der Nähe von Straßen, Industriegebieten oder alten Truppenübungsplätzen sammeln. 


Pilze – mehr als nur Nahrung 

Haben Sie einen Lieblingspilz? 

Schwer zu sagen, aber Espenrotkappen stehen bei mir weit oben – optisch und geschmacklich ein Highlight. Steinpilze sind natürlich großartig, aber ich habe sie ein wenig über. Pilze faszinieren mich aber nicht nur als Speise, sondern auch wegen ihrer Ästhetik und ihrer ökologischen Bedeutung. 

Viele gesammelte Waldpilze als Kunstwerk zusammengesetzt und fotografiert von Moritz Schmid.
Foto© Moritz Schmid Pilzkunst into the Woods

Sprechen Sie auch manchmal mit Ihren Lieblingspilzen, wie andere mit Zimmerpflanzen? 

Klar, warum nicht? Ich finde, man darf das Ganze ruhig mit einem Augenzwinkern sehen. Pilze lehren uns, dass wir Menschen nur ein Teil des Ganzen sind – nicht die „Krone der Schöpfung“. 

Welche Projekte stehen in der Zukunft an? 

Neben dem Kochbuch arbeite ich an einem großen internationalen Projekt, das Pilze und ihre Fähigkeiten ins Rampenlicht stellt. Mehr darf ich noch nicht verraten, aber im Kern geht es darum, Pilze als wahre Helden zu feiern. 


Pilz Workshops

Wer die Welt der Pilze in Brandenburg entdecken möchte, kann an Moritz Schmids Workshops in Zeuthen oder Buckow teilnehmen. 


Sammeltipps vom Pilzfluenzer Moritz Schmid.

1. Lass dir Zeit und sei geduldig 

Hetzen bringt nichts beim Pilzesammeln. Bleib zwischendurch stehen, setz dich mal hin und lass die Umgebung auf dich wirken – plötzlich siehst du Pilze, die dir vorher entgangen sind.  

2. Achte auf das Wetter 

Nach Regen wachsen die Pilze! Es dauert etwa 7-10 Tage nach einem ordentlichen Regenschauer, bis sie aus dem Boden sprießen.  

3. Wähle den richtigen Wald 

Für Steinpilze eignen sich lichte Gebiete mit sandigem Boden, Heideflächen oder Mischwälder mit Kiefern, Birken und Eichen. Dicht bepflanzte Kiefern-Monokulturen sind weniger ergiebig.  

4. Benutze das richtige Werkzeug 

Ein Pilzmesser mit Bürste ist der ideal Begleiter – so kannst du die Pilze direkt im Wald putzen und sparst dir später Arbeit in der Küche.  

5. Ergänze deine Ausrüstung 

Eine Lupe eröffnet dir faszinierende Details der Pilze wie Flocken oder Strukturen. Und ein Stock ist praktisch, um dich vor Spinnennetzen zu schützen – einfach vor dir herfuchteln.  

6. Prüfe die Frische der Pilze 

Drücke mit dem Finger auf den Hut des Pilzes: Bleibt eine Delle, ist er alt und sollte nicht mitgenommen werden. Nur knackige, frische Pilze sammeln.  

7. Drehen statt Schneiden 

Dreh Pilze aus dem Boden, statt sie abzuschneiden. So erkennst du auch die Stielbasis, die wichtig für die sichere Bestimmung ist – gerade bei gefährlichen Doppelgängern wie dem Knollenblätterpilz.  

8. Respektiere die Natur 

Fülle das Loch nach dem Drehen des Pilzes wieder mit Erde, um das Myzel (das unterirdische Pilzgeflecht) vor dem Austrocknen zu schützen.  

9. Halte Maß beim Sammeln 

Das Recht erlaubt nur die sogenannte „Handstrauß-Regel“, also 1-2 kg Pilze pro Person. Und bedenke: Weniger ist mehr – Pilze sollten bewusst und nachhaltig gesammelt werden.  

10. Keine Angst vor Kontaktgiften 

Du kannst jeden Pilz bedenkenlos anfassen – selbst giftige Arten wie den Knollenblätterpilz. Es gibt keine Pilze mit Kontaktgiften. Vorsicht ist nur bei Kindern geboten, die danach die Hände in den Mund nehmen könnten.