Der Milchmann aus der Uckermark
Auf einem Blatt Papier skizziert Gunnar Hemme sein Geschäftsmodell. Vier Kreise markieren große Tiere, die sich an einer Futterkrippe drängen. Hemme malt noch einen kleineren Kreis – ein mittelgroßes Tier, das keinen Platz mehr findet. Dann setzt er einen winzigen Kreis dazu: eine Maus. Sie schlüpft zwischen den Beinen der großen Tiere hindurch und schnappt auf, was denen herunterfällt.
Hemme zeichnet die Situation in der deutschen Molkereiwirtschaft, in der wenige Betriebe den Markt dominieren. Er ist die Maus, die ihren Platz zwischen den großen Tieren gefunden hat. Während immer mehr Molkereien aufgaben oder geschluckt wurden, gründete er 1998 einen neuen Betrieb in der Uckermark. Inzwischen ist „regional“ gefragt und seine Hemme-Milch wird nicht nur an zahlreiche Stammkunden ausgeliefert, sondern hat es auch in die Regale der Supermärkte geschafft.
Gunnar Hemme wuchs auf einem Bauernhof in Niedersachsen auf, der seine Milch direkt vermarktete, lernte Landwirtschaft von der Pike auf und setzte später ein Studium darauf. Weil der ältere Bruder den Betrieb übernahm, musste er sein Glück in der Ferne suchen und wurde so zum Milchmann der Uckermark. „Heute gemolken, morgen beim Kunden“, das war von Anfang an sein Grundprinzip. Mit dem Milchviehstall in Schmargendorf am Rande des Biosphärenreservats Schorfheide-Chorin fand er einen geeigneten Partner für seine Idee.
500 Kühe liefern dort täglich frische Milch, die per Rohrleitung in die kleine Molkerei fließt und dort direkt verarbeitet wird. Inzwischen sind zwei weitere Betriebe aus der Region als Lieferanten hinzugekommen. Die Partnerschaft ist zum Vorteil für alle Seiten. Die Milchbauern erhalten faire Preise, der Milchmann und seine Kunden wissen ganz genau, wo ihre Milch herkommt.
Neben dem Frische-Versprechen sind Transparenz und Authentizität weitere Grundpfeiler der kleinen Regionalmolkerei. „Die Kunden können den gesamten Produktionsablauf vom Futter für die Tiere bis zur Herstellung der Milch oder Butter nachvollziehen“, sagt Gunnar Hemme. Zwar liefert er keine Biomilch, legt aber Wert darauf, dass die Tiere ohne Gentechnik gefüttert werden und im Sommer weiden dürfen. Seine Milch behält ihren natürlichen Fettgehalt und wird nur schonend pasteurisiert. Die Stiftung Warentest bewertete sie 2013 mit „sehr gut“. Lange bevor im Internet die Renaissance der Lieferdienste begann, hatte Hemme mit seinem Vertriebskonzept Erfolg.
Von Anfang an brachte er seine Milch direkt an die Haustür. Heute zählt er mehr als 2.000 feste Kunden, darunter Großabnehmer wie Kindergärten und Schulen, vor allem aber private Haushalte. Sein Vertriebsnetz reicht von der Uckermark bis in die nördlichen Randgebiete von Berlin. Inzwischen bringen seine Fahrer nicht nur frische Milch, Butter oder Joghurt, sondern auch Wurst und Käse sowie saisonale Produkte aus der Region. Als vor einigen Jahren „regional“ zum neuen Trend wurde, klopften auch die Einkäufer der großen Handelsketten bei ihm an. Und so finden sich die Produkte der Schmargendorfer Molkerei auch in zahlreichen Supermarktregalen im Berliner Raum.
Obwohl der Betrieb gewachsen ist und Hemme mit 23 Mitarbeitern rund sieben Millionen Kilo Milch im Jahr verarbeitet, setzt er weiter auf Regionalität und einen engen Kontakt zu seinen Kunden. Ein geplanter Erweiterungsbau sieht nicht nur einen Hofladen für regionale Produkte vor, sondern auch einen „gläsernen Bereich“, in dem sich Besuchergruppen über die Produktion informieren können. „Wer vor Ort sieht, wie wir arbeiten, weiß unsere Produkte umso mehr zu schätzen und erzählt auch anderen davon“, betont Gunnar Hemme.