Das Epitaph für Hans Georg von der Marwitz in der Dorfkirche Friedersdorf

Autor Leon Eber

Friedersdorf bei Seelow wird 700! Ein guter Grund, mal wieder einen Ausflug in das Oderland zu planen.

Erster Anlaufpunkt ist hierfür der Kunstspeicher Friedersdorf. Auf den sechs Böden des ehemaligen Getreidespeichers können neben der Dauerausstellung, die über die wechselvolle Geschichte des Dorfes informiert, verschiedene Sonderausstellungen besucht werden, die Kunst aus der Region nahebringen. Im Speicherladen gibt es lokale Produkte zu erwerben und Hungrige können sich im rustikalen Wirtshaus auf der untersten Etage verpflegen lassen.

v.l.n.r. : Kirche außen © von Rauenstein │ Kunstspeicher © Amt Seelow │Altar Kirche innen © T- Dresel

Geschichtsinteressierten bietet Friedersdorf aber noch eine weitere Attraktion: die barocke Dorfkirche, die auf Anfrage für Führungen und Besuche offensteht. Im 14. Jh. in zeitlicher Nähe zur ersten urkundlichen Erwähnung des Dorfes 1323 als Feldsteinkirche erbaut, wurde sie im Dreißigjährigen Krieg teilweise zerstört. Nach dem Wiederaufbau gab ihr Hans Georg von der Marwitz und nach dessen Tod im Jahr 1704 seine Frau Sybille Elisabeth (geboren von Osterhausen) ihre barocke Gestalt, von der heute noch die Voutendecke, die Kanzel und das Altarbild erhalten sind.

Friedersdorf war beinahe dreihundert Jahre (1682-1945) im Besitz der Familie von der Marwitz, die das Dorf und die umliegenden Ländereien tief geprägt haben. Auch das wohl berühmteste Element der Kirche stammt aus dieser Zeit: Friedrich August Ludwig von der Marwitz (1777-1837), preußischer Generalleutnant, konservativer Politiker und einer der prominentesten Vertreter der Familie, widmete hier dem Grab eines Onkels folgendes Epitaph:


„John. Friedr. Adolph von der Marwitz; sah Friedrichs Heldenzeit; und kämpfte mit ihm; in allen seinen Kriegen; Wählte Ungnade; wo Gehorsam nicht Ehre brachte.“

Inschrift des Epitaphes

Berühmt wurde dieser Spruch durch Theodors Fontanes Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Fontane überliefert eine Marwitzsche Familiengeschichte, die den Spruch erklärt: Johann Friedrich Adolf von der Marwitz, Offizier im Siebenjährigen Krieg unter Friedrich II., sollte vom König als Belohnung für seinen Dienst das Jagschloss Hubertusburg erhalten.  Er habe sich aber unter Berufung auf seine Ehre dem Befehl des Königs widersetzt, alle beweglichen Gegenstände aus dem Schloss auszuräumen – kurz: es zu plündern. In der Folge habe er Friedrichs Gunst verloren und sei aus dem Militärdienst ausgetreten.

Ob die Geschichte sich tatsächlich so zugetragen hat, ist schwer zu überprüfen, da sie sich nur auf einen deutlich später verfassten Bericht stützt. Aber wichtiger als die Frage der historischen Authentizität, ist die symbolische Bedeutung, die dem Grabspruch seit Fontane beigemessen wird. In einer militärisch geprägten Kultur, wie der des preußischen Offiziersadels, in der Treue und selbstlose Pflichterfüllung als höchste Tugenden galten, nahm die Verweigerung des Gehorsams aus moralischen Gründen einen besonderen Stellenwert ein. Dieser „Mut zum Ungehorsam“, für den das Marwitzsche Epitaph steht, konnte deshalb immer wieder zum Bezugspunkt changierender Entwürfe des Konservativen werden – und nicht zuletzt als ein geflügeltes Wort unter den Verschwörern des 20. Juli 1944 in die Geschichte eingehen.


Das Heft Nr. 130 der MARK BRANDENBURG beschäftig sich mit dem Element des Konservativen in der brandenburgischen Landesgeschichte. Neben Friedrich August Ludwig von der Marwitz können sie hier von den Quitzows, Gregor von Brück, Otto von Bismarck, Henning von Tresckow und anderen lesen.

Für Interessierte an der Geschichte des Oderlandes und der Dorfkirche Friedersdorf empfehlen sich die Ausgaben 129 und 119.


Rund um Friedersdorf lassen sich viele weitere, spannende Orte entdecken. Sei es die Kompturei in Lietzen, das Ehrenmal für die gefallenen Sowjetsoldaten, in Seelow oder Neuhardenberg mit seiner spannenden Geschichte …

Erleben Sie die Weite und Magie des Oderbruchs, das Zusammenspiel von Natur und menschlicher Schöpferkraft.